Im Original veröffentlicht im Rahmen des Begutachtungsverfahrens auf der Parlamentswebsite
Stellungnahme zum Entwurf des Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 – UG, das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz – HS-QSG und das Hochschulgesetz 2005 – HG geändert werden
Die Unabhängigen Fachschaftslisten Österreichs (FLÖ) sind eine parteipolitisch unabhängige wahlwerbende Gruppe in der ÖH-Bundesvertretung, die auf viele Jahre Erfahrung in der Vertretungstätigkeit zurückblicken kann. Dabei war und ist eine ihrer Kernkompetenzen das Studienrecht an österreichischen Hochschulen. Daher nehmen die FLÖ Stellung zum Entwurf des Bundesgesetzes, mit dem das Universitätsgesetz 2002, das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz und das Hochschulgesetz 2005 geändert werden. Mitglieder der FLÖ haben auch an mehreren Stellungnahmen auf Hochschul- und Bundesebene mitgearbeitet, die detaillierter auf viele wichtige Punkte eingehen. Besonders sei hier auf die Stellungnahmen der HTU Wien, HTU Graz, ÖH BOKU, ÖH PHOÖ, ÖH Med Wien, HVU VetMed, ÖH JKU, HV PHWien sowie der Bundesvertretung verwiesen, welche wir vollinhaltlich unterstützen.
Die FLÖ setzen sich für einen freien und offenen Hochschulzugang und für öffentlich ausfinanzierte Hochschulen ein. Bildung muss als Grundlage für die Weiterentwicklung der Gesellschaft und für die Verbesserung unseres Lebens ein allgemein zugängliches Gut sein, insbesondere auch für finanziell schwache Studierende, First Generation Students und Drittstaatsangehörige. Gerade dem Universitätswesen und Hochschulwesen kommt auch die wichtige Rolle von Persönlichkeitsbildung und gemeinschaftlicher Problemlösungskompetenz zu. Keiner dieser genannten Punkte wird in der vorliegenden Novelle adressiert. Im Gegenteil versucht man unter dem Deckmantel von “Effizienz und Verbindlichkeit” bei Studierenden die Daumenschrauben anzulegen und Restriktionen einzuführen, die für viele Studierende den Ausschluss vom Studium bedeuten würden.
In der weiteren Folge wird nun auch im Detail auf einzelne wichtige Aspekte der vorliegenden Novelle eingegangen.
Gleichstellung der Geschlechter und Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen (§§ 2, 3, 20b, 42, 99 UG; §§ 9, 21, 31a HG)
Wir begrüßen die geplante Änderung des Wortlautes “Gleichstellung von Frauen und Männern” auf “Gleichstellung der Geschlechter” sowie die Verankerung der Gleichstellung der Geschlechter als einen der leitenden Grundsätze. Die weiterhin explizite Erwähnung der Frauenförderung im UG unterstützen wir, vermissen aber weitere gesetzlich verankerte, konkrete Schritte und Ziele um die Wichtigkeit dieses Themas zu unterstreichen.
Darüber hinaus ist positiv hervorzuheben, dass die Befugnisse und Handlungsmöglichkeiten für den Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen ausgeweitet werden. Allerdings wäre unserer Ansicht nach eine noch weitreichendere Erweiterung, die nicht nur taxativ aufgezählte Diskriminierungsformen berücksichtigt, wünschenswert.
ECTS-Workload (§ 14 (2a) UG, § 58 (12) UG; § 22 (2) HS-QSG; § 33 (2a) HG, § 42 (2) HG)
An vielen Hochschulen besteht ein Ungleichgewicht zwischen dem Arbeitsaufwand, der für Lehrveranstaltungen erbracht werden muss, und den dafür vergebenen ECTS-Anrechnungspunkte. Das Ziel einer Anpassung der vergebenen ECTS-Anrechnungspunkte an den Workload der Lehrveranstaltungen wird daher von den FLÖ begrüßt. Allerdings stellen wir fest, dass die im Begutachtungsentwurf vorgeschlagenen Änderungen noch nicht umfangreich genug sind. Die im neuen § 14 (2a) UG vorgesehene Evaluierung stellt nur den ersten Schritt dar. Es sollte hierbei klar normiert werden, dass der Senat und seine Kollegialorgane jedenfalls das Recht haben, die Ergebnisse dieser Evaluierungen zu erhalten, nachdem diese Organe dann für die Berücksichtigung der Evaluierungsergebnisse in Curricula zuständig sind.
Weiters möchten wir anmerken, dass zwar in § 58 (12) UG eine Verteilung der ECTS-Anrechnungspunkte dem Arbeitsaufwand entsprechend vorgesehen ist, es aber nicht realistisch scheint, dass diese Änderungen bis zum Inkrafttreten am 1.5.2021 umgesetzt werden können. Zudem bedarf es nicht nur curricularer Änderungen der Zuteilung von ECTS-Anrechnungspunkten, sondern auch der Aufnahme einer gesetzlichen Verpflichtung für Lehrende, den Umfang der Lehrveranstaltung anhand der Ergebnisse der Evaluierung und anhand des im Curriculum vorgegebenen ECTS Ausmaßes anzupassen. Diese könnte in § 76 UG normiert werden.
Universitätsrat (§ 21 UG)
Eine wie in Absatz 6 eingeforderte Begründung der Entsendung in den Universitätsrat ist ein Schritt hin zu mehr Transparenz bei der Besetzung des universitären Leitungsorgans. Leider stellt die Einschränkung der politischen Unvereinbarkeit auf Bundes- und Landesebene einen Schritt in die falsche Richtung dar und kann, besonders bei gleichzeitiger Mitgliedschaft in Universitätsrat und Stadt- oder Gemeindepolitik am Hochschulstandort, schnell zu Interessenkonflikten führen. Wir treten deshalb für eine Beibehaltung des §21(4) UG in seiner aktuellen Form ein.
Kompetenzerweiterung Rektorat & Entmachtung Senat (§§ 22, 23b, 25 UG)
Mit großer Besorgnis betrachten wir die vielen Agenden, die laut Entwurf aus dem Kompetenzbereich der Senate in jene der Rektorate und Universitätsräte geraten sollen.
Ein Initiativrecht für Studienplanänderungen und eine curriculare Richtlinienkompetenz in den Händen der Rektorate greifen tief in die Kernkompetenz der Senate und damit in die Entscheidungshoheit von Lehrenden und Studierenden ein. Es sei hier hervorzuheben, dass strukturelle Richtlinien immer auch einen Eingriff in die Inhalte bedeuten, weil beide Aspekte bei der Erstellung von Curricula ständig ineinandergreifen. Den Zusatz, dass diese Richtlinien “aufgrund der Leistungsvereinbarung” erlassen werden sollen, sehen wir besonders kritisch. Diese Erweiterung der Einflussmöglichkeit des Ministeriums auf die Universität, im Besonderen auf die Lehre, sehen wir als Eingriff in die verfassungsmäßige Autonomie der Universitäten und lehnen sie strikt ab.
Des Weiteren ist die Richtlinienkompetenz neben ihrer grundlegenden Problematik äußerst undeutlich ausformuliert. Es ist nicht klar, welche Maßnahmen dadurch ergriffen werden können und wo der strukturelle Bereich der Studiengestaltung endet und der inhaltliche beginnt.
Eine Entmachtung des Senats und eine damit einhergehende Entdemokratisierung der Hochschulen bei der ersten Wiederwahl der Rektorate (§ 23b (1) UG) ist ebenfalls strikt abzulehnen. Eine Anhörung des Senates ist nicht ausreichend um dem Gremium, das die Kompetenz der Rektorate am Besten beurteilen kann, die ihm zustehende Wahlmöglichkeit zu geben.
Begriffsbestimmungen Studienrecht (§ 51 (2) Z13 UG; § 35 Z37 HG)
Die Definition eines Studiums entlang der Linien von Kernfächern, die außerdem unzureichend definiert sind, ist nicht im Sinne des Bologna-Prozesses. Wir empfehlen, dieses Konzept an die vorgesehene Modulstruktur anzugleichen. Weiters verweisen wir in diesem Punkt besonders auf die Stellungnahme der ÖH.
Rechte und Pflichten von Studierenden (§ 59 UG; § 62 HG)
Durch die vorgeschlagene Änderung in § 59 (2) UG bzw. § 62 (1) HG soll den Studierenden die normative Verpflichtung auferlegt werden, ihr Studium im Sinne eines raschen Studienabschlusses zu gestalten. Dies widerspricht eindeutig dem Ziel von „Streben nach Bildung und Autonomie des Individuums durch Wissenschaft“ in § 1 UG sowie dem universitären Grundsatz nach Freiheit des Lernens laut § 2 (4) UG und § 59 (1) UG und ist deshalb ersatzlos zu streichen.
Die in der Änderung von § 59 (5) UG vorgesehene Möglichkeit, dass für die Mitarbeit von Studierenden in Kollegialorganen ein gewisses Ausmaß an “facheinschlägigen Kenntnissen” in Form von ECTS-Anrechnungspunkte abverlangt werden kann lehnen wir strikt ab. Insbesondere der Terminus “facheinschlägig” ist diesbezüglich undefiniert und führt, aus Erfahrung an Hochschulen, an denen eine solche Regelung bereits besteht, zu massiven Auslegungs- und Ausführungsproblemen. Generell stellt diese Änderung eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Studierenden in betroffenenen Gremien dar und damit auch einen Einschnitt in den Personenkreis, der an Hochschulen demokratische Prozesse mitgestalten kann. Zudem handelt es sich bei der vorgeschlagenen Regelung um einen Eingriff in die Autonomie der demokratisch gewählte Hochschulvertretungen, weshalb sie strikt abzulehnen ist.
Mindeststudienleistung (§ 59a UG; § 63a HG)
Unter Einbezug der sozialen Lage der Studierenden sowie der Zielsetzungen sowohl der österreichischen Gesetzgebung als auch des Bolognaprozesses können diese Paragrafen nur als vollkommen unpassend abgelehnt werden. Insbesondere wird die vorgesehene Regelung im Widerspruch zu folgenden Bildungszielen und Regelungen gesehen:
- Es wurden keinerlei Daten zur Begründung der Maßnahme vorgelegt. Weder die Zahl betroffener Studierender, noch eine Abschätzung der erhofften Wirkung wurden quantifiziert. Eine Regelung mit derart weitreichenden Konsequenzen für Einzelpersonen darf auf keinen Fall ohne sachliche Evidenzen erfolgen. Diese finden sich weder in der wirkungsorientierten Folgenabschätzung (WFA) noch in den Erläuterungen.
- Im Sinne der breiten Qualifikation von Absolvent_innen ist es kontraproduktiv, diese während ihres Studiums im freien Wissenserwerb einzuschränken. Ein Qualifikationsprofil mit zahlreichen extracurricularen Befähigungen durch ehrenamtliche Tätigkeit oder Arbeitserfahrung ist von enormen Vorteil im weiteren Berufsleben.
- Diese Maßnahme verstärkt Tendenzen zu einem verschulten und selektiven System und verhindert somit die Vermittlung der Befähigung zum selbstorganisierten Lernen. Die Universität wird dabei behindert ihre Aufgabe, einen Beitrag zur Persönlichkeitsbildung von Studierenden zu leisten, zu erfüllen.
- Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, Studierenden ein erfolgreiches Studium entsprechend ihrer Lebensumstände zu ermöglichen. Diese Regelung entspricht diesem Ziel in keinster Weise.
- Der Bologna-Prozess sieht Lebenslanges Lernen als eine seiner zentralen Zielsetzungen vor. Diese Regelung nimmt Personen im späteren Erwerbsleben, insbesondere mit Vollzeitjob und Familie, aktiv ihr Recht auf Bildung.
- Die Mindeststudienleistung verhindert die Möglichkeit, sich auf ein Hauptstudium zu konzentrieren und ergänzende Lehrveranstaltungen über andere Studien zu absolvieren. Dies ist einem interdisziplinären Ansatz äußerst abträglich und wirkt wie eine Beschränkung von Mehrfachstudien durch die Hintertür.
Inhaltlich häufen sich noch weitere Gründe diese Regelung abzulehnen.
Studierende die sich dem Studium nicht in vollem Umfang widmen können, sei es durch Betreuungspflichten, gesundheitliche Probleme, psychische Probleme oder der Notwendigkeit einer Haupterwerbstätigkeit nachzugehen, werden missachtet. In diesem Zusammenhang stellt eine Beurlaubung meist ein ungenügendes Werkzeug dar, um die unterschiedlichen Lebensrealitäten dieser Studierenden zu berücksichtigen, da während der Beurlaubung keine Prüfungsleistungen erbracht werden können und das Studium damit vollständig zum Stillstand kommt. Studierende könnten hier beim (meistens unerwarteten) Eintreffen von Beurlaubungsgründen vor die vollendete Tatsache gestellt werden, dass sie am Ende der Beurlaubung ihr Studium in frühestens 10 (!) Jahren fortführen können, wenn bei ihrem Beginn noch nicht genügend ECTS-Anrechnungspunkte erbracht wurden.
Wenn tatsächlich das Ziel verfolgt werden soll, Studierenden ihren Fortschritt im Studium zu erleichtern, sind weitere Restriktionen eindeutig der falsche Weg. Stattdessen sollten Maßnahmen zur Förderung und Unterstützung von Studierenden implementiert und der Abbau struktureller Hürden im Studium vorangetrieben werden.
Wir befürchten eine Verschlechterung der soziodemographischen Zusammensetzung der Studierenden, sollte die Einführung einer Mindeststudienleistung tatsächlich durchgesetzt werden. Dies ist besonders in Anbetracht der Tatsache problematisch, dass auch aktuell die Wahrscheinlichkeit, ein Hochschulstudium zu beginnen, vom höchsten Abschluss der Eltern abhängt, wie die Studierenden-Sozialerhebung 2019 zeigt.
Beurteilung von Prüfungen (§ 59b (1) UG)
Grundsätzlich ist zwar begrüßenswert, dass die Universität den Prüfungsbetrieb so zu gestalten hat, dass Studierende die von ihnen verlangte Leistung auch erbringen können, aber ohne rechtliche Konsequenzen für Lehrende oder die Hochschule leider absolut unbrauchbar. Erfahrungen zeigen, dass die bereits in § 74 (4) UG gesetzlich verankerte Frist von vier Wochen für die Ausstellung eines Zeugnisses nach Erbringung der zu beurteilenden Leistung vielerorts konsequenzenlos nicht eingehalten wird. Es stellt sich die Frage, was die erneute Aufnahme einer ähnlich gestalteten Regelung erreichen soll, wenn die bisher bereits bestehende schon oft ohne Wirkung bleibt.
Im vorliegenden Entwurf werden Studierende exmatrikuliert und zehn Jahre lang für eine erneute Inskription gesperrt. Sie haben dabei aber keine rechtliche Absicherung bei Versagen von Seiten der Hochschule bzw. Lehrenden. Das ist nicht tragbar.
Sinnvoller als eine zusätzliche Regelung ohne Konsequenzen einzuführen wäre es das Datum der Leistungserbringung und nicht der Beurteilung heranzuziehen, da damit klar wäre, dass Studierende nicht aufgrund verzögerter Korrekturdauer vom Studium ausgeschlossen werden können.
Learning Agreements (§ 59b UG; § 63b HG)
Diese Änderung hinterlässt den Eindruck, die verzögerten Abschlüsse bei Bachelor- und Diplomstudien seien einzig auf die fehlende Motivation der Studierenden zurückzuführen. Anstatt die Studienbedingungen zu verbessern und Initiativen wie Abschlussstipendien bundesweit zu verankern und Studiengänge mit Platzproblemen in Lehrveranstaltungen endlich auszufinanzieren, werden Studierende in eine rechtlich nicht vollständig geklärte, möglicherweise privatrechtliche Vertragsstruktur gedrängt. Hierbei ist nicht klar ersichtlich, mit welchen Folgen eine Hochschule bei Nichteinhaltung des Learning Agreements zu rechnen hat. Ebenso werden abgesehen von “keine Rückerstattung des Studienbeitrages” keine weiteren Folgen bei Nichteinhaltung für Studierende definiert. Auch ein Verweis auf die Satzungen der einzelnen Hochschulen diese Vereinbarungen zu spezifizieren fehlt in diesem Entwurf.
Ohne eine Einschränkung der möglichen Konsequenzen wird hier eine massive Rechtsunsicherheit, sowohl auf Seiten Studierenden als auch auf Seiten der Hochschulen, geschaffen. Dem gemeinsamen Wirken von Lehrenden und Studierenden nach § 1 UG wird hier kein Tribut gezollt, wenn Universitäten bei Vertragsabschluss eine immense Machtposition einnehmen.
Die angekündigten Belohnungen kaschieren eher bestehende Probleme, als tatsächliche innovative Anreize zu schaffen. Eine Vorreihung in Lehrveranstaltungen ignoriert curriculare Bestimmungen und weist auf das Problem einer mangelnden Finanzierung hin, wenn keine ausreichenden Kapazitäten für einen geordneten Studienablauf vorliegen. Dem muss durch zusätzliche Ressourcen und geeignete Infrastruktur Rechnung getragen werden, nicht durch unfaire Vorteile für Studierende.
Die gesamte Regelung zu Learning Agreements muss entweder grundlegend neu konzeptioniert oder gestrichen werden.
Zulassungsfristen und Meldung der Fortsetzung (§§ 61, 62 UG; §§ 51, 55 HG)
In der vorgeschlagenen Fassung wird die Nachfrist drastisch verkürzt bzw. gestrichen und die Gründe für eine Zulassung in der Nachfrist werden, ohne sachliche Begründung, stark reduziert. Wir lehnen diese Änderung vehement ab. Die vorgesehene Kürzung der Nachfrist schränkt die Flexibilität und Planbarkeit, insbesondere für Drittstaatstudierende, stark ein und baut unnötige Hürden auf. Es kann nicht im Sinne der Regierung sein, den Zugang zu universitärer Bildung aus rein bürokratischen Gründen zu erschweren. Diese Regelung stellt außerdem einen direkten Widerspruch zu dem festglegeten Ziel der “Verkürzung der Studiendauer von Bachelor- und Diplomstudien” dar. Die Kürzung der Nachfrist hat in vielen Studiengängen eine künstliche Verlängerung der Studiendauer zur Folge und schadet damit nicht nur Studierenden.
Durch das mögliche Entfallen der Zulassung zu konsekutiven Masterstudien besteht die Gefahr einer Studienzeitverzögerung, da Betroffene bis zu einem Semester auf die Zulassung zum Master warten müssten. Dies widerspricht ebenfalls dem vom Ministerium definierten Ziel der Verkürzung der Studiendauer und Effizienzsteigerung. Daher empfehlen wir dringend, die entsprechenden Formulierungen wieder hinzuzufügen.
Besondere Universitätsreife (§ 65 UG; § 52d HG)
Wir begrüßen den Wegfall der Absätze (2) und (3). Das Erbringen des Nachweises einer Zulassung zu einem Studium im Land, in dem die allgemeine Universitätsreife erreicht wurde, stellte viele Studierende aus Drittstaaten vor eine massive Hürde, wenn sie ein Studium in Österreich beginnen wollten.
Verlust der Zulassung durch negative Prüfungsantritte (§§ 66 (4), 77 UG)
Eine der Erleichterungen der vorliegenden Novelle betrifft die Befristung, dass akademische Grade nach 30 Jahren nicht mehr aberkannt werden können. Damit könnte der fatale Eindruck entstehen, dass jemand mit wiederholtem Plagiarismus im Studium dauerhaft akademische Grade führt, diese ehrlichen Studierenden mit “zu vielen” negativen Prüfungsantritten aber auf Dauer verwehrt werden. Daher wäre es konsequent, die Cooling-Off-Phase von einem Jahr Studienunterbrechung nicht nur innerhalb der StEOP zu belassen, sondern auf alle Prüfungen auszudehnen.
Beurlaubung (§ 67 UG, § 58 HG)
Wir begrüßen die Flexibilisierung der Beantragung von Beurlaubungen, besonders da diese nun auch während dem Semester möglich sein soll, wenn ein unerwarteter Grund eintritt. Andererseits werden aber die Gründe für eine Beurlaubung reduziert, indem die Möglichkeit entfällt, dass weitere Gründe in der Satzung der Hochschule festgelegt werden können. Diese Restriktion lehnen wir ab, da durch individuelle Gründe auf die jeweiligen Verhältnisse an den einzelnen Hochschulen eingegangen wird und Studierende durch deren Wegfall weniger Möglichkeiten für eine Beurlaubung hätten. Wir appellieren hier für die Eigenständigkeit der Hochschulen. Die Beurlaubungsgründe sollen keinesfalls als verallgemeinertes Dogma im Universitäts- und Hochschulgesetz verankert werden! Wir appellieren hier für die Eigenständigkeit der Hochschulen. Die Beurlaubungsgründe sollen keinesfalls als verallgemeinertes Dogma im Universitäts- und Hochschulgesetz verankert werden!
Auch ein Einschränken der Beurlaubungsmöglichkeiten im ersten Semester widerspricht den Lebensrealitäten vieler Studierender, die aufgrund von Präsenzdienst oder anderen Hinderungen nicht am ersten Semester teilnehmen können; besonders nur jährlich angebotene Aufnahmeverfahren sind hier nicht zweckdienlich.
Prüfungstermine (§§ 76 und 76a UG; §§ 42a und 42b HG)
Die FLÖ lehnen eine Reduktion von Prüfungsterminen und die Streichung der Vorgabe zur Verteilung über das Semester ab und sehen in diesem Punkt geradezu einen kompletten Widerspruch zu den Zielen der Novelle, die Studienaktivität sowie die Studierbarkeit zu steigern. Damit werden Studierende in ihrer Prüfungsplanung behindert und Prüfungen stärker hin zu Zeiten verschoben, in denen eine gleichzeitige Vorbereitung auf mehrere verschiedene Lehrveranstaltungen notwendig ist. Eine Erhaltung des bestehenden Mindestausmaßes von drei Terminen pro Semester mit einer Verteilung auf Anfang, Mitte und Ende des Semesters ist zielführender und wird daher vehement von uns gefordert.
Die Aufnahme von Mindestanforderungen an digitale Prüfungen ist erfreulich. Leider fehlt auch hier eine rechtliche Absicherung für Studierende elektronische Prüfungen, auch ohne Zustimmung zu Überwachung und Aufzeichnung ablegen zu können. Die letzten Monate haben außerdem gezeigt, dass zum Teil finanziell schwächere Studierenden durch hohe technische und räumliche Anforderungen benachteiligt oder gar von der Möglichkeit einer digitalen Prüfung ausgeschlossen werden. Hier braucht es klare gesetzliche Rahmenbedingungen, die allen eine Teilnahme ermöglichen.
Andere Änderungen an den Prüfungen, speziell im Bereich der rechtzeitigen Bekanntgabe von Modalitäten, sind im Sinne der Rechtssicherheit für Studierende grundsätzlich begrüßenswert. Eine Einschränkung der Spezifikation auf die angegebene Mindestanzahl an Prüfungsterminen wäre wünschenswert, da in vielen Studien zusätzliche Prüfungstermine auch während des Semesters vereinbart werden können, was bei genügend möglichen Terminen erstrebenswert ist. Weitere Änderungsvorschläge finden sich in den oben verwiesenen Stellungnahmen.
Anerkennung (§ 78 UG; § 56 HG)
Als FLÖ möchten wir die Änderungen bezüglich der Anerkennungen positiv hervorheben. Insbesondere die Umsetzung des Lissabonner Anerkennungsübereinkommen im Sinne einer “Beweislastumkehr” für die Anerkennungen von Lehrveranstaltungen und weiteren Studienleistungen sehen wir als einen wichtigen Schritt und begrüßen die vorgeschlagene Regelung grundsätzlich sehr.
Studierende, die Vorerfahrungen von Berufsbildenden höheren Schulen oder Allgemeinbildenden höheren Schulen nachweisen können, haben weiterhin die Möglichkeit Lehrveranstaltungen angerechnet zu bekommen. Auch berufstätige Studierende sollen in Zukunft die Chance erhalten ausserschulische Erfahrungen angerechnet zu bekommen. Dies ist positiv hervorzuheben, jedoch ist es nicht ersichtlich, warum Anerkennungen von Vorqualifikationen nur mehr im 1. Semester eingereicht werden können. Im Gegenteil entstehen hier Probleme bezüglich vorziehbaren ECTS-Anrechnungspunkten vor der vollständigen Absolvierung der StEOP.
Eine erleichterte Anerkennung von Vorqualifikationen kann einen wichtigen Beitrag zur Durchlässigkeit im tertiären Bildungssektor leisten. Anmerken möchten wir hier, dass die Definition der hier erforderlichen Validierungen (§ 51(2) Z 38 UG) sehr viel Spielraum lässt und somit bei der Anrechnung möglicherweise Unterschiede zwischen verschiedenen Hochschulen entstehen.
Verjährung von Plagiarismus (§ 89 UG)
Es ist aus unserer Sicht absolut nicht nachvollziehbar, warum ein unrechtmäßig erworbener akademischer Grad nach 30 Jahren rechtmäßig sein soll. Wissenschaftliche Integrität sollte lebenslang gewürdigt werden.
(Verkürzte) Berufungsverfahren (§§ 98, 99 und 99a UG)
Wir betrachten die Änderungen bei den Berufungen von von Professuren mit Sorge, stehen sie doch für eine fortwährende Einschränkung der Mitbestimmungsrechte der Studierenden und eine stärkere Konzentration auf ein weisungsbefugtes Rektorat. Bereits in den letzten Jahren wurden unter dem Deckmantel der Effizienzsteigerung mit verschiedenen abgekürzten Berufungsverfahren Möglichkeiten geschaffen, vorbei an studentischer Mitbestimmung Professor_innen unbefristet anzustellen. Damit wird die Gemeinschaft der Universität gestört und Richtungsentscheidungen über Forschung und Lehre finden insbesondere unter Vernachlässigung der Studierenden statt. In diesem Kontext lehnen wir auch die geplanten Änderungen an § 99a ab, die ebenfalls Berufungen ohne Mitbestimmung der Studierenden zulassen. Im Gegenteil erachten wir eine Ausweitung der gesetzlich verankerten Mitbestimmungsrechte für Studierendenvertreter_innen im Rahmen von Berufungen nach § 99a und auch nach § 99 für angebracht.
Was die Änderung an ordentlichen Professuren in § 98 angeht, ist es für die FLÖ nicht ersichtlich, welchen Zweck Berufungsbeauftragte nach einer vom Rektorat definierten Liste haben sollen. Im Gegenteil teilen wir die verfassungsrechtlichen Bedenken anderer Institutionen v.a. bezüglich der Weisungsfreiheit von Kollegialorganen, die wir durch diese unnötige Verschränkung von Senat und Rektorat beeinträchtigt sehen; insbesondere ist eine Ersatzbestimmung der berufenen Person durch das Rektorat bei Fristüberschreitung vollkommen inakzeptabel. Eine Setzung von Fristen muss zumindest in sinnvoller Relation zur normalen Verfahrensdauer erfolgen und Eventualitäten durch Studienbetrieb, Urlaubszeit oder Forschungsaufenthalte berücksichtigen.
Habilitation (§ 103 UG)
Die Habilitation oder venia docendi stellt schon durch ihre Definition die Befähigung zur Lehre dar. Es erscheint den FLÖ im Rahmen dieser umfassenden Novelle nicht nachvollziehbar, dass die Verleihung beim Nachweis hervorragender wissenschaftlicher Fähigkeiten erfolgt, aber nur eine mehrmalige Lehrtätigkeit verlangt wird. Daher fordern wir vehement die Angleichung hin zu hervorragender Lehrtätigkeit und eine universitätsautonome Ausgestaltung entsprechender Prüfungsverfahren im Rahmen der Satzung.
Befristete Arbeitsverhältnisse (§ 109 UG)
Wir möchten hier ausdrücklich auf die Stellungnahme der Verbands des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals der österreichischen Universitäten (ULV) hinweisen und unterstützen deren Forderungen in Hinblick auf § 109 UG vollinhaltlich.
Inkrafttreten
Die vorliegende Novelle birgt einschneidende Veränderungen in den verschiedensten Bereichen an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen. Ein Inkrafttreten beinahe all dieser erneuerten Bestimmungen zum 1. Mai 2021 und das gänzliche Fehlen von Übergangsbestimmungen, insbesondere bei Regelungen zu curricularen und studienrechtlichen Themen, kritisieren wir scharf. Daher fordern wir ein Inkrafttreten der Novelle mit frühestens 1. Oktober 2021 mit passenden Übergangsbestimmungen, wie sie beispielsweise in der Stellungnahme der Österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft detailliert angeführt sind.
Conclusio
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass trotz einiger begrüßenswerter Änderungsvorhaben, die negativen Auswirkungen des Gesetzesentwurfes für Studierende stark überwiegen. Die geplante Verpflichtung zu einem raschen Studienfortschritt und eine Mindeststudienleistung bei sonstiger Exmatrikulation und zehnjähriger (!) Sperre, zeigen deutlich, dass die Lebensrealitäten der Studierenden – nachzulesen z.B. in der Studierenden-Sozialerhebung 2019 – in dieser Novelle vollkommen außen vor gelassen werden. Anstatt im Sinne einer aufgeklärten, modernen Gesellschaft aktiv Diversität (von Studierendenbiografien und Studienverläufen) zu fördern, wird einzig der “lineare Studienverlauf” – Reifeprüfung, ein (!) Studium in Mindestzeit, Berufseinstieg – angestrebt.
Außerdem werden mit dem vorgelegten Gesetzesvorhaben Mitbestimmungsrechte von demokratischen Gremien, insbesondere in Fragen der Studienplanerstellung, wesentlich eingeschränkt und somit die – verfassungsmäßig verbriefte – Autonomie der Universitäten verletzt.
Aus den in dieser Stellungnahme erwogenen Gründen sind die meisten Änderungen, welche diese Novelle mit sich bringt, im Interesse der Studierenden, aber auch im Interesse einer aufgeklärten, breit gebildeten Gesellschaft, abzulehnen.
Wir fordern jedenfalls dringend den Gesetzgeber dazu auf, die Anmerkungen aus unserer Stellungnahme im weiteren Gesetzwerdungsprozess im Sinne aller Studierenden zu berücksichtigen und freuen uns, jenen Prozess weiter unterstützen und begleiten zu dürfen.